Teil 2 der Beschlüsse der Emder Synode von 1571: Partikularia


Besondere Vorfälle und Einzelfragen*

1. Aufgrund der Beschwerde und Bitte beider Emder Gemeinden versprechen die Brüder der Synode, sofort nach ihrer Rückkehr den Gemeinden ihrer Classes mitzuteilen: Die Diakone der Emder Gemeinde werden durchreisenden Glaubensgenossen nach dem Beispiel anderer Gemeinden, durch die sie ziehen, ebenso wie Einheimischen Hilfe leisten, sofern sie ein rechtmäßiges Zeugnis ihrer Heimatgemeinde über ihren Lebenswandel und Glauben vorlegen. Wenn sie jedoch, wie es manchmal geschieht, viele Tage oder einige Monate bleiben, um guten Wind zur Fahrt nach England abzuwarten, können sie in Zukunft nicht mehr für sie aufkommen. Es soll ja niemand in blindem Vertrauen seinen Wohnsitz leichtsinnig wechseln. 

2. Auf die erste Frage der Kölner, ob alles durch die Heilige Schrift bekräftigt werden muss, antworten die Brüder: Gewissensfragen müssen durch Gottes Wort bestätigt werden. Aber bei Ordnungsfragen und Angelegenheiten, die letztlich nicht entscheidend sind, ist das nicht notwendig.

3. Die zweite Frage nach der richtigen Übersetzung der Bibel ins Niederländische verweisen die Brüder an die Generalsynode.

4. Die dritte und vierte Frage wurde in den Artikeln 51 („Niemand darf ein eigenes oder von anderen verfasstes Buch über Glaubensfragen drucken lassen …“) und 52 („In den größeren Gemeinden …“) beantwortet.

5. Die fünfte Frage nach den Akten der Synode von La Rochelle in Frankreich übertragen die Brüder an Petrus Dathenus und Johannes Taffinus zur Erledigung. 

6. Auf die sechste Frage wegen der Berufung der Pastoren antwortet Artikel 38 („Es gibt ein Verzeichnis ...“). 

7. Zur siebenten Frage lautet die Antwort: Man darf im Konsistorium Zeugen hinzuziehen und anhören. Wenn sie aber nicht anwesend sind, darf man bei einer wichtigen Sache einen Eid fordern oder anbieten, aber nicht befehlen – das darf nur die Obrigkeit –, sondern nur eindringlich dazu ermahnen. Man darf auch die bei der Obrigkeit gebräuchliche feierliche Form des Eides verwenden, doch ist es besser, sie zu vermeiden. Stattdessen soll man mit ganzem Ernst die Strafe Gottes gegen Meineidige vor Augen halten und eindringlich darum bitten, die Wahrheit zu sagen. Man ist aber am besten beraten, wenn man möglichst selten Zeugen hinzuzieht und einen Eid fordert.

8. Auf die Frage der Kölner wegen eines Mannes, dem seine Frau nicht folgen will, lautet die Antwort: Eine Anrufung der obrigkeitlichen Behörde ist erforderlich. Deshalb kann sich der Mann in die Stadt begeben, in der die Obrigkeit ihre Hilfe und Autorität dafür einsetzen will.

9. Auf die zehnte Frage der Kölner Brüder, ob man das Kind eines Papisten taufen darf, der den Taufritus in den reformierten Gemeinden für besser hält als den, der in der römischen Kirche praktiziert wird: Wer das näher in Erfahrung bringen will, soll eine Abschrift des Gutachtens zur Hand nehmen, das die Genfer Brüder zu dieser Frage verfasst haben. 

10. Auf die elfte Frage der Kölner, ob man diejenigen als Paten zulassen kann, die zwar den reinen Glauben angenommen haben, aber sich keiner Gemeinde anschließen wollen, lautet die Antwort: Die Brüder sprechen sich dafür aus, den Gemeinden die Heranziehung von Paten bei der Taufe freizustellen. Wo sie nur Taufzeugen sind, können die Betreffenden zugelassen werden. Übernehmen sie aber auch die Sorge für die Erziehung der Kinder, müssen sie Mitglieder der Gemeinde sein.

11. Die Brüder aus Aachen und Köln fragen, ob ein gottlos lebender Bruder nach vielen vergeblichen Ermahnungen aus der Gemeinde ausgeschlossen werden muss oder ob sein Ausschluss für eine gewisse Zeit aufgeschoben werden soll, wenn er der Gemeinde mit Zerstörung droht. Die Antwort lautet: Wer nach dem Wort Gottes ohnehin ausgeschlossen werden muss, der muss auch dann ausgeschlossen werden, wenn er der Gemeinde Zerstörung androht. Allerdings liegt der Zeitpunkt der öffentlichen Ermahnungen und der Bekanntgabe des Ausschlusses im Ermessen des Konsistoriums. Daher kann der Zeitpunkt der Ermahnungen und des Ausschlusses so gelegt werden, dass einerseits auf den Bestand der Gemeinde Rücksicht genommen und andererseits der notwendige Ausschluss vollzogen wird.

12. Auf die Frage der Brüder aus Antwerpen nach den Pastoren, die nicht im Dienst sind, sich aber weigern, einer Berufung anderswohin zu folgen, lautet die Antwort: Die Versammlung der Classis entscheidet, ob Pastoren, die ohne Amt sind und die von einer Gemeinde berufen werden, dies aber ablehnen, zum Gehorsam gezwungen werden sollen. 

13. Auf die Frage, ob eine gläubige Frau, die mit einem ungläubigen Mann verheiratet ist, ihr Kind gegen den Willen ihres Mannes zur Taufe bringen darf, lautet die Antwort: Sie darf und muss es sogar tun. Aber weil ein solcher Entschluss vielleicht nicht immer einfach ist, soll man im Hinblick auf die Lage der Gemeinde in einer derart schwierigen Angelegenheit den Rat des Konsistoriums einholen. Dieses wird klug genug sein, weder den Ängstlichen die Zügel schießen zu lassen noch die Gewissen der Leute durch allzu große Strenge zu beschweren.

14. Einige Gemeinden fragen, ob es den Brüdern erlaubt ist, mit dem Geld anderer Fürsten Handel zu treiben, es einzuschmelzen oder dafür zu sorgen, dass es eingeschmolzen wird und an Wert verliert. Die Antwort lautet: Geld zu sammeln, um es in schlechtere Münze einzuschmelzen, es irgendwie umzuprägen oder umprägen zu lassen, so dass dem Staat daraus ein Schaden entsteht, ist auch dann, wenn es die Obrigkeit eines Ortes übersieht, mit Gerechtigkeit und Liebe unvereinbar und den Bekennern des reinen Glaubens nicht erlaubt.

15. Auf die Frage der Brüder aus Gent und Antwerpen wird geantwortet: Das Konsistorium muss auf die Schwere einer Schuld und das Ausmaß eines Ärgernisses, auf die Häufigkeit und Wiederholung eines Fehltritts sowie auf den Ort und andere Begleitumstände achten. Dann entscheidet es nach reiflicher Überlegung, ob in den Gemeinden unter dem Kreuz jemand nicht nur vom Abendmahl, sondern auch aus ihrer Gemeinschaft ausgeschlossen werden muss. Wenn noch weitere Auskünfte erforderlich sind, wendet man sich an die Versammlung der Classis. 

16. Ein Bruder aus Gent fragt, ob folgende Sünden als öffentliche oder als heimliche zu betrachten sind: insgeheim Ablass annehmen, sich papistisch trauen lassen, sein Kind von einem Priester taufen lassen, in einem Privathaus vor einem Ratsherrn oder irgendeinem Beamten Christus verleugnen, bei den Heiligen schwören. Weil es zu dieser Frage unterschiedliche Meinungen gibt, wird sie auf die nächste Zusammenkunft vertagt. 

17. Die Frage der Aachener wegen eines jungen Mannes und einer jungen Frau verweisen die Brüder an deren Konsistorium zur sorgfältigen Prüfung aller Begleitumstände dieses Falls zurück. Danach erstattet es der Versammlung der Classis Bericht. 

18. Die französische Gemeinde in Antwerpen fragt, wie man mit einer Frau verfahren soll, die behauptet, vor vier oder fünf Jahren ihren Mann im Krieg verloren zu haben, aber keinen sicheren Beweis für seinen Tod liefern kann. Die Antwort lautet: Sie soll einen öffentlichen Aufruf durch die Autorität der Obrigkeit ergehen lassen. Wenn sie das nicht erreichen kann, soll sie die Obrigkeit bitten, ihr einen Termin zu setzen, bis zu dem sie warten muss. Kann sie beides nicht erreichen, rät man ihr, in eine Stadt zu ziehen, in der die Obrigkeit ihr hilft und ihren Einfluss geltend macht.

19. Auf eine weitere Frage derselben Gemeinde wegen der Witwen, die ein oder zwei Monate nach dem Tod ihres Mannes wieder heiraten wollen, lautet die Antwort: Das Konsistorium kann und darf keine Frist setzen, da Paulus den Witwen die Wiederheirat ohne Zeitvorgabe erlaubt. Allerdings fordert es der Anstand, nicht vor Ablauf von vier oder fünf Monaten eine neue Ehe einzugehen. Im Fall einer Schwangerschaft sind es etwa zwei Monate nach der Geburt.

20. Drittens fragt dieselbe Gemeinde wegen eines Mannes, der wegen einer schweren Sünde vom Abendmahl ausgeschlossen ist und eine Frau in der Gemeinde heiraten will, obwohl er zuvor seine Sünde noch nicht öffentlich bekannt hat. Die Antwort lautet: Man muss mit ihm gemäß der Kirchenzucht verfahren. Wenn er sich ändert, darf er wieder zum Abendmahl zugelassen werden. Andernfalls soll man der Frau von der Ehe mit einem Mann abraten, der durch eine schwere und offen zu Tage liegende Sünde belastet ist, die Gemeinde verachtet sowie vom Abendmahl verwiesen und ausgeschlossen ist.

21. Es liegt die Frage vor, bei welchem Grad der Blutsverwandtschaft die Ehe verboten ist. Die Antwort lautet: Es ist am besten – besonders dort, wo die Obrigkeit ungläubig ist –, die Gesetze und Gewohnheiten des Ortes zu beachten, soweit das ohne Verletzung der Ehre Gottes geschehen kann. Auf diese Weise kann man vermeiden, dass eine gegen diese Bestimmungen geschlossene Ehe von der Obrigkeit für nichtig und die Kinder für unehelich erklärt werden und dass die Erbschaft auf einen anderen übertragen wird, ihm zufällt und andere derart schlimme Dinge eintreten.

22. Auf die Frage der Brüder aus Aachen wegen eines Pastors, der eine Irrlehrerin zur Frau hat, lautet die Antwort: Da der Betreffende bereits in den Dienst eingesetzt ist, soll das Konsistorium sorgfältig prüfen, welche Mühe und Anstrengung er auf sich genommen hat, um durch eine fromme Lebensführung und beständige Ermahnungen aus Gottes Wort seine Frau für Christus zu gewinnen. Falls er dabei früher und heute zu nachlässig gewesen ist und Tadel verdient, wird er durch Urteilsspruch und Autorität des Konsistoriums in Verbindung mit der Classis aus seinem Dienst entfernt. Sollte das Konsistorium zu nachlässig damit umgehen, kann man wegen der Nachlässigkeit oder des Urteils des Konsistoriums mit dem Rat einiger Brüder der Gemeinde bei der Classis Berufung einlegen.

23. Die Generalsynode soll für das nächste Frühjahr einberufen werden. Es besteht der große Wunsch, dass die englischen Gemeinden zusagen, einige Delegierte entsenden zu wollen und zu können, selbst wenn nicht alle darin einwilligen. Andernfalls wird die Generalsynode auf das folgende Frühjahr 1573 vertagt. 

24. Die Classis Pfalz ist zur Einberufung der Generalsynode ausgewählt worden. 

25. An folgende Gemeinden in den einzelnen Classes soll geschrieben werden: Emden, Wesel, Köln, Heidelberg, Antwerpen, Gent, Tournai und Alkmaar in Holland. 

Emden, den 13. Oktober 1571 

Gaspar Heydanus, Präses 

Johannes Polyander, Schriftführer

 

*Übersetzung aus dem Lateinischen von Matthias Freudenberg

Entnommen mit freundlicher Genehmigung des Verlages Vandenhoeck&Ruprecht: 
Matthias Freudenberg/Aleida Siller, Emder Synode 1571 – Wesen und Wirkungen eines Grundtextes der Moderne, Göttingen 2020