Teil 1 der Beschlüsse der Emder Synode von 1571: Generalia


Die Akten der Synode der niederländischen Gemeinden, 

die unter dem Kreuz sind

und die in Deutschland und Ostfriesland verstreut sind, 

gehalten in Emden am 4. Oktober 1571*

1. Keine Gemeinde soll über andere Gemeinden, kein Pastor über andere Pastoren, kein Ältester über andere Älteste, kein Diakon über andere Diakone Vorrang haben oder Herrschaft beanspruchen. Sie sollen lieber dem geringsten Verdacht und jeder Gelegenheit dazu aus dem Weg gehen.

2. Es erschien den Brüdern richtig, das Bekenntnis der niederländischen Gemeinden zu unterschreiben, um die Übereinstimmung in der Lehre zu erklären, die unter den niederländischen Gemeinden besteht. Um die Übereinstimmung und Gemeinschaft dieser Gemeinden mit den Gemeinden Frankreichs zu erklären, erschien es ihnen richtig, das Glaubensbekenntnis jenes Reiches ebenso zu unterschreiben. Das taten sie im festen Vertrauen darauf, dass die Pastoren dieser Gemeinden das Glaubensbekenntnis der niederländischen Gemeinden ebenfalls unterschreiben werden, um ihre gegenseitige Übereinstimmung zum Ausdruck zu bringen. 

3. Petrus Dathenus und Johannes Taffinus wurden gewählt, um diesen Beschluss auf der nächsten Synode in Frankreich den Pastoren mitzuteilen und über ihre Antwort bei der nächsten Versammlung der Brüder zu berichten.

4. Es sollen auch diejenigen niederländischen Pastoren zur Unterschrift aufgefordert werden, die bei dieser Versammlung nicht anwesend sind. Ebenso soll auch von all denen eine Unterschrift geleistet werden, die künftig zum Dienst am Wort berufen werden, und zwar vor Antritt ihres Dienstes.

5. Die Brüder sind der Ansicht, dass in den französischen Gemeinden der Genfer Katechismus und in den deutschen Gemeinden der Heidelberger Katechismus benutzt werden soll. Wenn jedoch Gemeinden einen anderen mit Gottes Wort übereinstimmenden Katechismus benutzen, sind sie zu keinem Wechsel verpflichtet. 

6. In den einzelnen Gemeinden sollen Sitzungen oder Konsistorien der Pastoren, Ältesten und Diakone stattfinden. Das geschieht mindestens einmal in der Woche zu der Zeit und an dem Ort, die den einzelnen Gemeinden am geeignetsten erscheinen. 

7. Außer diesen Sitzungen sollen alle drei oder sechs Monate auch Versammlungen der Classes einiger benachbarter Gemeinden stattfinden, so wie es ihnen zweckmäßig und notwendig erscheint. 

8. Ferner soll einmal im Jahr je für sich eine Versammlung aller Flüchtlingsgemeinden in Deutschland und Ostfriesland tagen, ebenso eine Versammlung der Gemeinden in England und der Gemeinden, die unter dem Kreuz sind. 

9. Schließlich soll auch alle zwei Jahre eine Versammlung aller niederländischen Gemeinden tagen.

 

Die Classes der niederländischen Flüchtlingsgemeinden in Deutschland und Ostfriesland

10. Eine Versammlung der Classis bilden: 

beide Gemeinden in Frankfurt, die Gemeinde in Schönau, die französische Gemeinde in Heidelberg, die Gemeinden in Frankenthal und Lambrecht; 

eine weitere beide Gemeinden in Köln, beide Gemeinden in Aachen, die Gemeinden in Maastricht, Limbourg, Neuss und die Gemeinden im Herzogtum Jülich; 

eine weitere die Gemeinden in Wesel, Emmerich, Goch, Rees, Gennep und im Herzogtum Kleve; 

eine weitere die Gemeinde in Emden mit den eingewanderten Pastoren und Ältesten aus Brabant, Holland und Westfriesland. 

 

Die Classes der Gemeinden unter dem Kreuz 

11. Eine Versammlung der Classis bilden: 

beide Gemeinden in Antwerpen, die Gemeinden in ‘s-Hertogenbosch, Breda, Brüssel und alle anderen Gemeinden in Brabant; 

eine weitere die Gemeinden in Gent, Mortier, Ronse, Oudenaarde, Wervik, Comines und die übrigen Gemeinden, die in beiden Teilen Flanderns liegen; 

eine weitere die Gemeinden in Tournai, Lille, Arras, Douai, Armentières und Valenciennes und die übrigen französischsprachigen Gemeinden; 

eine weitere die Gemeinden in Amsterdam, Delft und die übrigen Gemeinden in Holland, Overijssel und Westfriesland. 

12. Die Brüder in England sollen aufgefordert werden, ihre Gemeinden auf Classes zu verteilen. 

13. Die Pastoren sollen vom Konsistorium mit Zustimmung der Versammlung der Classis oder zweier oder dreier benachbarter Pastoren gewählt werden. Die Gewählten werden dann der Gemeinde vorgestellt, die sie entweder mit schweigender Zustimmung akzeptiert oder innerhalb von ungefähr 14 Tagen Einspruch einlegt, wenn sie aus irgendeinem Grund der Wahl nicht recht zustimmen mag. Wenn aber Gemeinden den bei ihnen bestehenden Brauch einer Wahl durch die Gemeinde nicht ändern wollen, wird das geduldet, bis eine Generalsynode anders beschließt. 

14. Das gleiche Verfahren ist bei der Wahl von Ältesten und Diakonen zu beachten. Dabei muss keine Zustimmung bei der Versammlung der Classis oder bei den benachbarten Pastoren eingeholt werden.

15. Jedes Jahr scheidet die Hälfte der Ältesten und Diakone aus. An ihre Stelle treten andere, die ebenfalls zwei Jahre lang Dienst tun. Dabei haben besonders die Gemeinden unter dem Kreuz nun die Freiheit, einen längeren oder kürzeren Zeitraum zu bestimmen, wenn ihnen das zweckmäßig und notwendig erscheint. 

16. Die Pastoren werden von denen geprüft, die sie gewählt haben. Wenn ihre Lehre und ihr Leben gebilligt werden, sollen sie in ihrem Dienst mit feierlichem Gebet und Handauflegung bestätigt werden. Dabei darf nicht der Eindruck eines abergläubischen oder mit Zwang durchgeführten Ritus entstehen.

17. Kein Pastor darf in einer fremden Gemeinde ohne Zustimmung ihres Pastors und ihres Konsistoriums oder – bei Abwesenheit des Pastors – ohne Zustimmung des Konsistoriums predigen. 

18. Wer sich an Orten, an denen der Dienst des Pastors schon besteht, in dieses Amt einschleichen will, wird vom Konsistorium verwarnt. Sollte er trotzdem hartnäckig bleiben, müssen sofort drei oder vier oder möglichst noch mehr benachbarte Pastoren aus der betreffenden Classis zusammengerufen werden, um diese Person zum Gemeindespalter zu erklären. Gegen solche, die sich über alle Ermahnungen beharrlich hinwegsetzen und dem jetzt zum Gemeindespalter Erklärten weiter zuhören, geht das Konsistorium nach den Vorschriften der Kirchenzucht vor.

 

Zur Praxis der Taufe

19. Es ist unwesentlich, ob man bei der Taufe einmal oder dreimal mit Wasser benetzt wird. Daher stellen wir den Gemeinden frei, nach dem bei ihnen geltenden Brauch zu verfahren, bis die nächste Generalsynode anders entscheidet.

20. Ob man Paten zur Taufe hinzuzieht oder nicht, ist ebenfalls eine Frage der Gewohnheit. Daher sind die Gemeinden frei darin, an dem bei ihnen geltenden Brauch festzuhalten, bis eine Generalsynode anders entscheidet.

 

[Zur Praxis] des Abendmahls

21. In den Gemeinden, bei deren Einrichtung wir Freiheit haben, soll bei der Austeilung des Abendmahls gewöhnliches Brot verwendet und gebrochen werden. Ob man das Abendmahl im Gehen, Stehen oder Sitzen feiert, halten wir für gleichgültig. Daher können die Gemeinden so verfahren, wie es ihnen am zweckmäßigsten erscheint. Es wird den Gemeinden freigestellt, während des Abendmahls Psalmen zu singen oder die Heilige Schrift zu verlesen, ebenso Worte Christi oder des Paulus bei der Darreichung von Brot und Wein zu verwenden. Man hüte sich aber, durch das Aussprechen von Worten den Anschein oder Eindruck einer Weihe der Elemente [Brot und Wein] zu erwecken.

 

Die Ehe 

22. Niemand, der unter der Gewalt seiner Eltern oder ihrer Vertreter steht, darf ohne ihre Zustimmung eine Ehe schließen. Ohne ihre Zustimmung ist ein Eheversprechen ungültig. Wenn jedoch Eltern sich dabei störrisch und unzugänglich erweisen, dass sie unter keinen Umständen ihre Zustimmung geben wollen – was manchmal aus Abneigung gegenüber der Religion oder aus anderen Gründen geschieht –, dann entscheidet das Konsistorium darüber, ob der Grund, diese heilige Einrichtung zu verhindern, stichhaltig ist.

23. Eine rechtmäßig geschlossene Ehe kann auch dann nicht aufgehoben werden, wenn beide Seiten dem zustimmen. Es ist darauf zu achten, dass ein Pastor oder ein Ältester der Gemeinde beim Eheversprechen anwesend ist. So kann er vor dem gegenseitigen Versprechen feststellen, ob beide Partner den reinen Glauben haben, ob die Eltern zustimmen und ob – falls einer von ihnen oder beide vorher schon verheiratet waren – über den Tod des früheren Gatten ein ordentlicher Nachweis vorliegt. 

24. Die Namen derer, die die Ehe eingehen wollen, werden an drei Sonntagen oder ansonsten dreimal in angemessenen Abständen vor der versammelten Gemeinde bekanntgegeben.

 

Die Kirchenzucht 

25. Wir meinen, dass in den einzelnen Gemeinden die Kirchenzucht ausgeübt werden muss. Die Aufgabe der Pastoren besteht nicht nur darin, öffentlich zu lehren, zu ermahnen und zurechtzuweisen, sondern auch privat einen jeden an seine Pflicht zu erinnern. Dafür sollen auch die Ältesten Sorge tragen.

26. Wenn nun jemand von der reinen Lehre abgewichen ist oder in seinem Lebenswandel gesündigt hat, so muss die von Christus in Matthäus 18 eindeutig gegebene Regel angewandt werden. Voraussetzung ist, dass der Vorfall verborgen geblieben ist und keinen öffentlichen Anstoß erregt hat.

27. Verborgen gebliebene Sünden also, die der Sünder bei sich selber oder nach Ermahnung vor ein, zwei oder drei Zeugen bereut hat, werden nicht vor das Konsistorium gebracht. Wenn solche Sünden jedoch dem Gemeinwesen oder der Kirche schweren Schaden zufügen – zum Beispiel Verrat oder Verführung der Seelen –, sollen sie dem Pastor gemeldet werden, um nach seinem Rat zu erwägen, was in dieser Angelegenheit zu tun ist.

28. Wenn jemand bei verborgenen Sünden nicht auf die Ermahnung zweier oder dreier Brüder hört oder es zur öffentlichen Sünde kommen lässt, wird das vor das Konsistorium gebracht.

29. Für Sünden, die ihrer Natur nach öffentlich sind oder wegen Missachtung der Ermahnungen der Gemeinde in der Öffentlichkeit bekannt geworden sind, muss eine öffentliche Wiedergutmachung erfolgen. Das geschieht nicht nach dem Urteil des einen oder anderen Bruders, sondern des gesamten Konsistoriums. Über Art und Weise der Maßnahme entscheidet die jeweilige Gemeinde nach dem Maßstab, der ihr zu ihrem Aufbau am zweckmäßigsten erscheint.

30. Wer hartnäckig die Ermahnungen des Konsistoriums abweist, wird vom Abendmahl ausgeschlossen. Wenn der so Ausgeschlossene nach wiederholten Ermahnungen kein Zeichen der Reue erkennen lässt, dann muss man den Ausschluss aus der Gemeinde vollziehen.

31. Der Pastor soll den hartnäckigen Sünder öffentlich von der Kanzel aus ermahnen. Er legt dessen Verfehlung dar und erklärt, wie er selber bei der Zurechtweisung, beim Ausschluss vom Abendmahl und schließlich bei der gewissenhaften Ermahnung seine Pflicht getan hat. Er hält die Gemeinde dazu an, für den nicht zur Umkehr bereiten Sünder fleißig zu beten, bevor sie sich gezwungen sieht, zum letzten Mittel – dem Ausschluss aus der Gemeinde – zu greifen. So geschehen also drei Mahnungen. Bei der ersten wird der Sünder nicht genannt, um ihn dadurch noch zu schonen. Bei der zweiten wird sein Name bekanntgegeben. Bei der dritten wird der Gemeinde angekündigt, dass er – sollte er sich nicht ändern – ausgeschlossen werden muss, um ihn dann, wenn er hartnäckig bleibt, unter schweigender Zustimmung der Gemeinde tatsächlich von ihr auszuschließen. Die Zeitspanne zwischen den einzelnen Ermahnungen liegt im Ermessen des Konsistoriums. Wenn ein derart hartnäckiger Sünder sich nicht einmal durch diese Maßnahmen ändert, wird vor der Gemeinde sein Ausschluss und seine Trennung vom Leib der Kirche verkündet. Der Pastor erklärt diese Maßnahme und den Zweck des Ausschlusses ausführlich und ermahnt die Glaubenden, keinen engen und unnötigen Kontakt mit dem Ausgeschlossenen zu pflegen, sondern die Gesellschaft mit ihm zu meiden. Sie sollen das vor allem unter dem Gesichtspunkt tun, dass der Ausgeschlossene aus Scham und mit vollem Ernst sich ändert.

32. Wer schwere Sünden begangen hat, die die Gemeinde in Misskredit bringen und von der Obrigkeit geahndet werden müssen, bleibt von der Abendmahlsgemeinschaft ausgeschlossen, auch wenn er Reue zeigt. Wie lange er ausgeschlossen bleibt, liegt im Ermessen des Konsistoriums. 

33. Wenn Pastoren, Älteste und Diakone eine öffentliche Verfehlung begangen haben, die der Gemeinde schadet und von der Obrigkeit geahndet werden muss, sollen Älteste und Diakone unverzüglich auf Weisung des Konsistoriums abgesetzt, die Pastoren aber von der Ausübung ihres Dienstes entbunden werden. Ob sie von ihrem Dienst abgesetzt werden, muss die Versammlung der Classis entscheiden. Sind sie mit deren Entscheidung nicht zufrieden, können sie bei der Provinzsynode Berufung einlegen. 

34. Die Frage, ob bereits abgesetzte Pastoren, Älteste und Diakone, die der Gemeinde durch Reue Genüge getan haben, nach erneuter Wahl wieder zum Dienst zugelassen werden dürfen, muss für Älteste und Diakone das Konsistorium, für Pastoren aber die Versammlung der Classis entscheiden. 

35. Die aus den Niederlanden stammenden Pastoren, die sich zum Dienst in auswärtigen Gemeinden verpflichtet haben, sollen, wenn sie von niederländischen Gemeinden zurückgerufen werden, alles daransetzen, dieser Berufung nachzukommen. Dabei legen ihre Gemeinden eine angemessene Frist fest, in der sie sich nach anderen Pastoren umsehen können. Wenn aber die auswärtigen Gemeinden sie nicht freigeben wollen, erfolgt eine Berufung in eine andere, unbeteiligte Gemeinde. Diejenigen aber, die sich noch nicht fest verpflichtet haben, werden ermahnt, sich die Freiheit zur Annahme einer Berufung zu bewahren. 

36. Auch sollen die Gemeindeglieder, die die Dienste eines noch freien Pastors in Anspruch genommen haben, für dessen Unterhalt sorgen, wenn es erforderlich ist.

37. Diejenigen, die sich infolge ihrer Flucht an einem Ort gesammelt haben, sollen einigen Studenten Unterhalt anbieten und sie an sich binden. Wenn sie aber auf ihren Dienst nicht mehr angewiesen sind und zulassen, dass eine andere Gemeinde die Studenten ganz an sich bindet, können sie die gemachten Aufwendungen zurückfordern. Anders aber steht es, wenn sie die Studenten der anderen Gemeinde nur für eine gewisse Zeit überlassen.

38. Es gibt ein Verzeichnis der zurzeit nicht im Dienst stehenden und anderer zum Dienst am Wort geeigneter Pastoren. Einige hier anwesende Pastoren der einzelnen Classes sind dazu bestimmt worden, im Namen dieser Synode den Pastoren ihrer Classis einen Auftrag zu geben. Sie sollen sorgfältig nachforschen, ob es in ihren Classes Gemeinden gibt, die ohne Pastoren dastehen, und sie auffordern, einen Pastor zu berufen, und ihnen einige aus dem Verzeichnis vorschlagen, damit jemand im gegenseitigen Einvernehmen berufen wird.

39. Für Emden sind gewählt: Dominicus Julius, Cornelius Rhetius, Johannes Arnoldi; für Wesel: Johannes Lippius, Petrus Rickius, Michael Jordanis. An diese Männer sollen die niederländisch-deutschen Gemeinden, die keine Pastoren haben, schreiben. Sie nennen ihnen Pastoren, die sich bei ihnen oder in der Umgebung aufhalten. 

40. Ist eine Gemeinde so arm, dass sie den berufenen Pastor nicht ernähren kann, so soll die Classis erwägen, ob zunächst mehrere Nachbargemeinden miteinander verbunden werden können. Außerdem werden die Pastoren der Flüchtlingsgemeinden aufgefordert, ihre Gemeindemitglieder um Hilfe zu bitten. Besonders sollen sie diejenigen zur Hilfe bewegen, die zu der Provinz gehören, in der die arme Gemeinde liegt. Auch die Pastoren selber sollen hierin den anderen ein gutes Beispiel geben. 

41. An den Orten, an denen der Dienst am Wort nicht eingerichtet werden kann, setzen die Pastoren der Classis Lektoren, Älteste und Diakone ein, damit die Gemeinden sich so versammeln können.

42. Die Pastoren und Ältesten der Classes unter dem Kreuz sollen in allen Städten und Dörfern ihrer und der benachbarten Classes sorgfältig nach denjenigen suchen, die für den wahren Glauben aufgeschlossen sind, und sie an ihre Pflicht erinnern. Sie sollen sich also bemühen, Gemeinden oder wenigstens deren Anfänge zu sammeln. Zur besseren Durchführung teilen diese Classes sich in die benachbarten Städte und Dörfer auf, damit kein Ort übersehen wird. Die gleiche Sorgfalt sollen die Flüchtlingsgemeinden für die Städte und für die anderen benachbarten Orte aufwenden, was besonders für die gilt, die weit von den Classes entfernt liegen. Die geflohenen Gläubigen unterstützen die Pastoren aus den Classes unter dem Kreuz dadurch, dass sie ihnen umsichtig die Namen derer nennen, die nach ihrer Meinung dort für den Glauben aufgeschlossen gewesen sind, von wo sie vertrieben oder ausgewandert sind.

43. Sehr nützlich ist eine Verbindung der Gemeinden untereinander in der Art, dass sie sich durch häufigen Briefwechsel über das austauschen, was in den Gemeinden allgemein und in einigen auch im Besonderen zur Förderung ihres Bestandes und Wachstums beiträgt. Sie sollen auch Irrlehrer, Gemeindespalter, Leute, die sich für Geld kaufen lassen, Laufburschen und andere derart schädliche Gestalten beim Namen nennen, damit die Gemeinden sich vor ihnen in Acht nehmen können.

44. Es muss auch der schweren Belastung der Gemeinden begegnet werden, die täglich durch die Leichtfertigkeit derer zunimmt, die allzu schnell ihren Wohnsitz wechseln, und anderer, die unter dem Vorwand ihrer Armut und ihres Glaubens die Almosen an sich reißen, welche für die einheimischen Gläubigen notwendig sind und ihnen zustehen. In den einzelnen Gemeinden soll öffentlich darauf hingewiesen werden, dass diejenigen, die wegziehen, künftig in anderen Gemeinden nur dann wie Einheimische unterstützt werden, wenn sie ein von ihrer früheren Gemeinde ausgestelltes Zeugnis über ihr Leben und ihren Glauben vorlegen.

45. Die Pastoren sollen diejenigen, die sie um ein Zeugnis bitten, sorgfältig befragen, weshalb sie wegziehen wollen. Sie sollen ihnen strikt das Zeugnis verweigern, wenn sie feststellen, dass kein triftiger Grund für ihren Wegzug vorliegt. Pastoren und Diakone sollen sich hüten, allzu leichtfertig ihre Gemeinden von den Armen zu entlasten und andere Gemeinden ohne Notwendigkeit mit ihnen zu belasten. Bei denen, welchen sie ein Zeugnis geben können, nennen sie: Name, Vorname, Geburtsort, Beruf, Grund des Wegzugs, Dauer des Aufenthalts in der Gemeinde, Lebensführung, Zeitpunkt der Abreise, Ziel der Reise und Ähnliches. 

46. Den Wegziehenden soll so viel mitgegeben werden, wie sie bis zur nächsten Gemeinde, die sie erreichen, brauchen. Die Summe wird im Zeugnisbrief notiert. Dasselbe sollen die anderen Gemeinden tun, durch die sie ziehen, und zwar jede Gemeinde nach ihren Möglichkeiten. Wenn der überreichte Zeugnisbrief und alles andere in Ordnung ist, sollen sie ihnen so viel geben, wie nach ihrer Meinung bis zur nächsten Gemeinde notwendig ist. Das tragen sie im Zeugnisbrief gemeinsam mit dem Tag der Abreise ein. So sollen auch die anderen Gemeinden verfahren, bis jene am Zielort angekommen sind, wo das Zeugnis vernichtet wird.

47. Wer nach dem kommenden November seine Gemeinde ohne Zeugnis oder mit einem Schreiben, das nicht dieser Ordnung entspricht, verlässt, gilt nicht als Glaubensgenosse, dem man nach der Weisung des Paulus am meisten Gutes tun soll. Wenn trotzdem jemand aus den Gemeinden unter dem Kreuz kommt oder von Orten, an denen kein Predigtdienst besteht, soll man ihn prüfen, ob er beten, Rechenschaft über seinen Glauben ablegen, den Grund für seine Reise angeben kann und Ähnliches. Die Diakone werden klug genug einschätzen, wieweit man ihnen so helfen muss.

48. Im Namen dieser Synode wird Herr von St. Aldegonde gebeten, eine geschichtliche Darstellung über alles zu verfassen, was sich seit einigen Jahren in den Niederlanden zugetragen hat. Dabei geht es besonders um die Errichtung von Gemeinden, ihre Verfolgung, die Beseitigung und Wiederherstellung des Götzendienstes, die Standhaftigkeit der Märtyrer, die furchtbaren Gerichte Gottes über die Verfolger, die politischen Umwälzungen und Ähnliches. 

49. Die Pastoren der einzelnen Gemeinden und alle anderen, die durch ihre Arbeit zu diesem Vorhaben beitragen können, sollen alles sorgfältig in Erfahrung bringen, was damit im Zusammenhang steht. Das teilen sie einem von den dazu Ausgewählten schriftlich mit. Diese tragen Sorge dafür, dass das später zuverlässig an Herrn von St. Aldegonde weitergegeben wird. 

50. Gewählt sind für Emden: Christoph Becanus und Cornelius Rhetius; für Wesel: Petrus Rickius und Carolus Niellius; für Köln: Adrian Koningsloe und Johannes de Roy; für Aachen: Johannes Christianus und Johannes Hueckelom; für Frankfurt: Herr de Balieu und Sebastian Matte; für Heidelberg: Petrus Dathenus und Johannes Taffinus; für Frankenthal: Gaspar Heydanus und Petrus Anthonius; für Schönau: Franziscus Junius; für Lambrecht: Nikolaus Schoubroeck.

51. Niemand darf ein eigenes oder von  anderen  verfasstes Buch über Glaubensfragen drucken oder auf andere Weise verbreiten lassen, wenn es nicht von den Pastoren der Classis oder anerkannten Theologieprofessoren unseres Bekenntnisses geprüft und gebilligt wurde.

52. In den größeren Gemeinden sollen eigene Seminare abgehalten werden, in denen sich diejenigen im Predigen üben, bei denen begründete Hoffnung besteht, dass sie einmal der Gemeinde mit dem Wort dienen können. Um die Ordnung zu wahren, führt ein Pastor dabei den Vorsitz.

 

Schluss 

53. Diese Artikel, die auf die rechtmäßige Ordnung der Kirche abzielen, wurden einmütig beschlossen. Wenn im Interesse der Gemeinden eine Änderung erforderlich ist, können und müssen sie verändert, vermehrt oder vermindert werden. Das zu tun ist aber keiner einzelnen Gemeinde gestattet. Vielmehr sollen sich alle an die Bestimmungen halten, bis eine Synode anders beschließt.

Emden, den 12. Oktober 1571, vom 4. bis zum 12. Oktober 

Gaspar Heydanus, Präses 

Eigenhändig hat unterschrieben Johannes Polyander, Schriftführer

 

*Übersetzung aus dem Lateinischen von Matthias Freudenberg

Entnommen mit freundlicher Genehmigung des Verlages Vandenhoeck&Ruprecht: 
Matthias Freudenberg/Aleida Siller, Emder Synode 1571 – Wesen und Wirkungen eines Grundtextes der Moderne, Göttingen 2020