Ein brisanter Fall

Oder: Wie funktioniert das presbyterial-synodale Prinzip?


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Eine Unterrichtsreihe für Jugendliche im Alter von 14-17 Jahren

„Nehmen wir an, dass unsere Kinder wissen oder jedenfalls ahnen und vermuten können, was das so etwa sei, eine Synode, und weiter fragen: Was hat die denn geleistet, diese Synode? Und dass wir dann sachgemäß antworten werden: Diese Synode hat eine Kirchenordnung verfasst... Erwarten wir dann, dass unsere Kinder ganz begeistert dafür sein würden?“

Mit dieser etwa resignierten Frage leitet Alexander J. Bronkhorst seinen Aufsatz „Der Raum der Freiheit und die reformierte Tradition“ ein, den er 1973 im Jubiläumsband zum 400. Jahrestag der Emder Synode verfasste. Auch nach weiteren 50 Jahren hat sich an der Frage nichts geändert; wohl aber kann sie heute entschieden verneint werden. Das Verhältnis vieler Kinder und Jugendlicher zur Kirche und zum christlichen Glauben kann treffend mit dem Begriff „Traditionsbruch“ beschrieben werden. In einem säkularen Milieu gibt es viele Schülerinnen und Schüler, denen die Kirche schlicht gleichgültig ist, weil sie überhaupt nicht mehr zu ihrer Lebenswelt gehört.

Bei einzelnen Jugendlichen schwingt auch ein spöttischer oder arroganter Unterton mit, wenn man auf das Thema Kirche zu sprechen kommt. In bestimmten Lerngruppen oder Peergroups ist eine gewisse Scham zu beobachten, wenn es um eine aktive Zugehörigkeit zu oder gar Mitarbeit in einer Kirchengemeinde geht. Dennoch zeigen sich gelegentlich auch Neugier und Offenheit gegenüber der Kirche, zumindest dann, wenn Kinder und Jugendliche durch Jugendgottesdienste, Jugendfreizeiten, Kirchentage, Konfitage oder Konficamps sowie durch musikalische Angebote erlebnisintensive und gemeinschaftsbildende Erfahrungen mit der Kirche gemacht haben.

Auch wenn in den Jahrgangsstufen 5 und 6 im Religionsunterricht Kirchenerkundungen zu den Standardthemen gehören, dürfte den Kindern und auch den Jugendlichen kaum bekannt sein, wie Kirchen aufgebaut sind, in welchen Strukturen sich das kirchliche Leben vollzieht und welche Organisations- und Leitungsformen dabei eine Rolle spielen. Ihnen begegnet Kirche allenfalls als Ortsgemeinde, oft sogar nur als Segment der Jugendarbeit oder des Konfirmandenunterrichts. Als verantwortliche Personen nehmen sie in der Regel nur die Pfarrerin oder den Jugendreferenten wahr. Ansätze, Jugendliche selbst in verantwortliche Mitarbeit etwa als Teamer oder Teamerinnen einzubinden, sind vielversprechend, ändern aber nur wenig an der Beobachtung, dass in vielen Gemeinden gerade in den mittleren Altersstufen eine beträchtliche Lücke klafft, die sich künftig noch vergrößern dürfte. Insofern benennt der Begriff „Traditionsbruch“ nicht nur die Situation von Jugendlichen, sondern ein, vielleicht sogar das Grundproblem der Kirche in der säkularen Gesellschaft.

Wie kann angesichts dieser skizzenartig beschriebenen Situation das Interesse Jugendlicher an der presbyterial-synodalen Kirchenverfassung geweckt werden, die als Erbe der Emder Synode eine regelrechte „Erfolgsstory“ absolviert hat? Was könnte Jugendliche motivieren, sich mit der Geschichte, den Chancen und Stärken dieser Verfassung eingehender auseinanderzusetzen?

Aussichtslos ist jeder Versuch, Jugendliche anhand von Strukturmodellen über Institutionen und Funktionen der Kirche theoretisch aufzuklären. Reizvoller könnte es sein, wenn Jugendliche unmittelbar kirchlichen Funktionsträgern begegnen und sie im Blick auf ihre Beweggründe, ihre Aufgaben und Schwierigkeiten in kirchlichen Gremien befragen können. Aber auch solche Begegnungen treffen nicht unbedingt die Lebenswelten, in denen Jugendliche sich bewegen, und die Interessen, die ihren Alltag bestimmen.

Dieses Unterrichtsmodell beschreitet einen anderen Weg: Es setzt an bei einem Problem, das vielen Jugendlichen unter den Nägeln brennt: Sie sind in aller Regel außerordentlich sensibel, wenn es um Tiere geht. Nicht umsonst wächst die Zahl der Jugendgruppen in den Tierschutzverbänden erkennbar. Betroffen reagieren Jugendliche, wenn sie wahrnehmen, dass Tiere verletzt, gequält oder getötet werden. Schon im Kindesalter entscheiden sich Mädchen und Jungen, nur noch vegetarische Kost zu sich zu nehmen, weil sie nicht wollen, dass Tiere geschlachtet und gegessen werden. Die wachsende vegane Bewegung ist von der missionarischen Botschaft bewegt, dass Tiere dem Menschen gleichgestellt seien und denselben Grad unverletzlicher Würde genießen.

Die Grundidee der Unterrichtsreihe nimmt dieses offenkundige Interesse der Jugendlichen auf und setzt daher fallbezogen und handlungsorientiert an. Es geht in diesem Fall um das gerade in ländlichen Kirchengemeinden brisante Problem der Masthühnerhaltung, die unter deutlich anderen Bedingungen und rechtlichen Vorgaben praktiziert wird als die Haltung von Legehennen:

Eine Gruppe von Jugendlichen einer fiktiven norddeutschen Kirchengemeinde entdeckt, dass es in der benachbarten Kirchengemeinde einen Stall mit 20.000 Masthühnern gibt, die zwar nach den gesetzlichen Vorschriften einwandfrei gehalten werden, aber dennoch in einem für die Jugendlichen erschreckenden Zustand sind. Die Jugendlichen begeben sich auf den schwierigen Weg, ihre Kirche zum Handeln im Sinne der „Bewahrung der Schöpfung“ zu bewegen und machen dabei Bekanntschaft mit den unterschiedlichen Institutionen der Kirche. Ihre anfängliche Erregung über die Tierhaltung wird auf dem Weg durch die Instanzen aufgefangen und in ein mehrperspektivisches Problembewusstsein verwandelt.

Der beschriebene Fall ist ausdrücklich nicht darauf angelegt, ein hochkomplexes gesellschaftliches Problem zu vereinfachen, Schuldige zu benennen und die Kirchengemeinden zu Pressure-Groups für das Tierwohl umzufunktionieren. Wohl aber wird die sensible Wahrnehmung der Jugendlichen, die zunehmend von weiten Teilen der Bevölkerung geteilt wird, konstruktiv aufgenommen. Die Art und Weise, wie die Kirche auf unterschiedlichen Ebenen damit umgeht, wie sie alle Beteiligten an einen Tisch bringt und mit Sachkunde und Geduld zu einer konsensorientierten Lösung und handlungsleitenden Perspektive beizutragen versucht, zeichnet die besondere Stärke gerade der presbyterial-synodalen Kirchenordnung aus. Ziel der Reihe ist es daher, den Jugendlichen durch ihr eigenes fiktionales Handeln den Blick dafür zu schärfen, wie kirchliche Strukturen dabei helfen können, schwierige ethische Fragen zu entflechten und im gemeinsamen Gespräch Klärungen herbeizuführen.

Gedacht ist die Unterrichtsreihe für Jugendliche im Alter von 14-17 Jahren, also in den schulischen Jahrgangsstufen 8-11 bzw. in Konfirmanden- und Jugendgruppen. Die Reihe ist in einzelnen Schritten aufgebaut, die jeweils den eingangs erzählten Fall fortschreiben.

Der gesamte Unterrichtsentwurf als Download (PDF)

 

Das Lernarrangement:

Schritt 1: Alarm im Hühnerstall (M1)
Die fiktive Erzählung sollte zunächst von der Lehrperson vorgelesen werden. In einer kurzen Spontanphase können sich die Jugendlichen dazu äußern. Vermutlich werden viele sich der Empörung der Jugendgruppe anschließen. In einer zweiten Phase sollte die Erzählung ausgeteilt und noch einmal genauer gelesen werden. Sachfragen etwa zu Begriffen wie Kirchenrat, Kirchenpräsident, Kirchenordnung etc. werden von der Lehrperson geklärt. Die Anregung kann mittels eines leeren Mailformulars (M2) bearbeitet werden. Dazu werden Gruppen von vier Jugendlichen gebildet. Die fertigen Mails werden vorgetragen und mit der Fragestellung diskutiert, welche Mail wahrscheinlich die besten Aussichten hat, als ernsthaftes Problem wahrgenommen zu werden.

Schritt 2: Ein kompletter Fehlschlag (M3)
Die Mail an die Kirchenpräsidentin erweist sich als vergeblich, da die Präsidentin nach der Kirchenordnung keine Befugnisse hat, in Angelegenheiten der Kirchengemeinden einzugreifen. Dennoch äußert sie Verständnis für die Jugendlichen und gibt ihnen einen wichtigen Rat. Der anschließende Vergleich der Grundstrukturen der Katholischen Kirche (M4) und der Evangelisch-reformierten Kirche (M5) zeigt, dass auf der einen Seite ein hierarchisches Top-down-Modell praktiziert wird, während auf der anderen Seite ein durch demokratische Wahlen gebildetes Bottom-up-Modell maßgeblich ist. Genauere Auskünfte über die geschichtliche Herkunft des Modells bietet das Arbeitsblatt: Wer darf was in der Evangelisch-reformierten Kirche? (M6) Auf dieser Wissensgrundlage kann die Lerngruppe nun überlegen, wie sie weiter vorgehen will.

Schritt 3: Auf ein Neues! (M7)
In diesem Schritt werden die Vorüberlegungen der Lerngruppe aufgenommen und auf den Kirchenrat als zuständige Instanz fokussiert. Ziel des Schrittes ist es, die Jugendlichen mit der komplexen Aufgabe zu befassen, einen begründeten Antrag zu schreiben, der dem Kirchenrat vorgelegt werden soll. Dabei müssen sie

1. den Sachverhalt darlegen,
2. eine biblisch-theologische Begründung formulieren,
3. eine konkrete Bitte, einen Appell, einen Aufruf oder eine Forderung verfassen, was der Kirchenrat nun tun möge.

Zur Information stehen den Jugendlichen eine detaillierte Darstellung des Problems der Masthühnerhaltung zur Verfügung, die von der Albert-Schweitzer-Stiftung herausgegeben wurde, sowie eine offizielle Seite des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Dabei können auch die Person Albert Schweitzers und grundlegende Prinzipien seiner Ethik mit bedacht werden. Ein Artikel aus der Reihe Religion für Einsteiger des Chrismon-Magazins informiert online über wichtige Aspekte einer Schöpfungsethik. Leistungsstärkere Lerngruppen können zusätzlich auch auf eine theologische Zusammenstellung zu den beiden Schöpfungsaufträgen zurückgreifen (M8) (Differenzierung). Nach der in Gruppen erfolgten Erstellung des Antrags werden die Anträge vorgetragen. Einer der Anträge wird ausgewählt, da er im späteren Verlauf noch eine Rolle spielen wird.

Schritt 4: Jetzt wird es ernst (M9) (Differenzierung)
Je nach Leistungsstärke und Motivation der Lerngruppe kann ein Zwischenschritt eingeschoben werden, der die Jugendlichen in eine Diskurssituation versetzt. Sie müssen ihren Antrag argumentativ verteidigen, der (fiktive) Kirchenrat seinerseits wird kritische Fragen stellen und Einwände formulieren. Falls möglich, können auch Mitglieder des zuständigen Kirchenrates eingeladen werden, die die Jugendlichen zu ihrem Antrag befragen. Damit kann annäherungsweise eine Realsituation geschaffen werden, die erheblich spannender und herausfordernder für die Jugendlichen sein kann.

Schritt 5: Der Kirchenrat tagt (M10)
Diese Einheit steht im Mittelpunkt der gesamten Reihe, denn hier müssen die Jugendlichen einen Perspektivwechsel vornehmen, der sie vor die Aufgabe stellt, das vorgetragene Problem aus der Sicht des Kirchenrates wahrzunehmen. Der Rat kann und darf sich nicht zum Advokaten einer Gruppe in der Gemeinde machen lassen, sondern hat die Belange aller Gruppen in der Gemeinde zu berücksichtigen. Der Antrag der Jugendlichen stellt daher nur eine Stimme im Chor der Beteiligten dar. Sich dies bewusst zu machen, dürfte der eigentliche Lerneffekt des Schrittes sein.
Methodisch wird an dieser Stelle ein Rollenspiel mit Rollenkarten eingesetzt, die die Vielfalt der Mitglieder eines Kirchenrates spiegeln. Für die Durchführung sind einige spezifische Merkmale des pädagogischen Rollenspiels wichtig. Insbesondere müssen die Teilnehmer die Möglichkeit haben, sich in einer ersten Phase mit ihrer Rolle vertraut zu machen und Notizen anzufertigen. Die Spielphase sollte am Ende darauf gerichtet sein, das Problem zur weiteren Befassung an die regionale Synode zu überweisen, da es um eine gemeindeübergreifende Frage geht. Nach der Spielphase treten die Teilnehmer aus ihrer Rolle heraus und betrachten das Spiel aus der Distanz. Zuerst können die Rollenspieler ihre Eindrücke zum Spielverlauf (ohne Bewertungen!) äußern. Falls es Beobachter des Spiels gibt, dürfen diese anschließend das Spiel kommentieren, allerdings auch hier ohne Bewertungen abzugeben. Leitfrage dieser Phase kann sein, welche Einsichten das Spiel in die Arbeitsweise und Aufgabe des Kirchenrates gebracht hat.

Schritt 6: Ein heißes Eisen (M11)
Die Überweisung des von den Jugendlichen aufgebrachten Problems an die regionale Synode stellt die vorletzte Einheit dar. Ausgangspunkt ist eine Zusammenfassung des bisherigen Verlaufs für die Synode, verbunden mit der Bitte an die Synode, sich grundsätzlich mit dem Problem der Massentierhaltung zu befassen. An dieser Stelle soll durch die Einladung an den /die Präses der Synode und weitere Synodale ein Realitätsbezug hergestellt werden. Die gesamte Problematik wird aus der fiktionalen Ebene auf die Realebene übertragen. Wie Synodale damit umgehen würden, wenn sie tatsächlich über den Antrag der Jugendlichen zu beraten hätten, steht im Mittelpunkt der Befragung.

Schritt 7: Die Synode antwortet (M12)
Auch in diesem Schritt wird die Realitätsebene einbezogen: Zugrunde liegen Auszüge aus einer Erklärung der Synode des Synodalverbandes Grafschaft Bentheim vom 11.11.2017 zum Umgang mit Lebensmitteln. Im Zentrum steht zum einen die Erkenntnis, dass Schuldzuweisungen fehl am Platze sind, zum anderen die Einsicht, dass wir alle in ein System eingebunden sind, das um den Umgang mit Lebensmitteln kreist und dessen Akteure in gegenseitiger Abhängigkeit zueinander stehen. Statt auf eine Universallösung zu setzen, will die Synode konkrete Schritte hin zu der „Einen Welt als Lebensraum für alle“ gehen. Der Text sowie die Arbeitsanregungen sind als Differenzierungsmaterialien für leistungsstarke Lerngruppen gedacht.

Schritt 8: Jetzt seid ihr dran: Wie war’s? (M13)
Eine Feedbackphase mit ausführlichen Kommentaren schließt die Reihe ab.

Materialien (Download):

Die Personen:

Die Jugendlichen in der Evangelisch-reformierten Kirchengemeinde Brückstede:
Enno, Lukas, Tim, Paul, Klaas
Leonie, Hannah, Lena, Marie, Julia

Der Vetter von Enno, Evangelisch-reformierte Kirchengemeinde Bornfehn:
Jan, seine Eltern Hinnerk und Bente Achtsam

Der Kirchenrat der Evangelisch-reformierten Kirchengemeinde Brückstede:
Wolf Wachsam (Vorsitzender), Femke Freundlich (Stellvertretende Vorsitzende), Björn Bedächtig, Gesine Geduldig, Sophia Sachlich, Timo Trotz (berufener Jugendältester), Arno Ackermann (berufener Ältester, Landwirt)

Die Pastorin der Evangelisch-reformierten Kirchengemeinde Brückstede:
Fenny Fröhlich

Der Präses der Synode des Synodalverbands:
Frieso Friedlich

Die Kirchenpräsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche:
Rena Ratvoll

Alarm im Hühnerstall (M1)

Ihr lernt gleich die Evangelisch-reformierte Kirchengemeinde in Brückstede kennen – einem mittelgroßen Dorf auf dem platten Land. Hier geht alles noch seinen gewohnten Gang: Bauernhöfe in sattem Rot geklinkert, ein mächtiger Trecker vor der Tür, langgestreckte Ställe, Biogasanlagen, Mais und noch mehr Mais auf den umliegenden Feldern. Es herrscht keine Hektik, dafür aber rührige Betriebsamkeit. Schließlich fällt das Geld nicht vom Himmel. Im Gegenteil: Die Landwirte stehen mächtig unter Druck. Supermarktketten drücken die Preise, wo es nur geht. Wer dort einkauft, will billig, billig, billig – und auf jeden Fall Fleisch! Noch dazu die ruinöse Politik der Europäischen Union: Je mehr Flächen und Vieh, desto üppiger fließt der EU-Geldsegen. Die Agrarindustrie jubelt. Aber einige Bauern im Dorf kämpfen ums Überleben. Und mehrere alteingesessene Höfe mussten schon aufgeben.

In Brückstede kennt noch jeder jeden und die Kirche steht mitten im Dorf. Die Kirchengemeinde hat fast 800 Mitglieder. Die Pastorin Fenny Fröhlich macht ihrem Namen alle Ehre. Sie bringt Schwung in die Gemeinde. Vor allem um die Jugendlichen kümmert sie sich, denn das sei doch die Zukunft der Kirche, meint Frau Fröhlich. Gerade erst hat sie eine Gruppe von immerhin 16 Jungen und Mädchen konfirmiert, die nun auch als vollberechtigte Mitglieder in der Gemeinde mitwirken dürfen. Das tun sie auch. Als Teamerinnen und Teamer sind die meisten gleich bei der Begleitung der neuen Konfirmanden eingestiegen.

Enno ist einer von ihnen, 15 Jahre alt. Er fühlt sich regelrecht sauwohl in seiner coolen Clique, die zu allen sinnigen und unsinnigen Unternehmungen aufgelegt ist. Da kann auch schon mal ziemlich großer Blödsinn herauskommen, wenn die Zehn zusammen sind. Spaß muss sein, man lebt ja nur einmal. Aber meist geht es eher unspektakulär ab. Denn die nachbarschaftliche Meldekette funktioniert ziemlich reibungslos, wenn Jugendliche etwas verbockt haben. Dass das Leben hier nicht so ganz easy ist, wissen alle. Manch eine Sorgenfalte auf der Stirn der Eltern und Nachbarn macht auch den Jugendlichen zu schaffen. Das Wetter spielt nicht mehr mit. Ein trockener Sommer nach dem nächsten, der Mais steht längst nicht so gut, wie er müsste. Die Erträge sinken. Enno und die anderen sind elektrisiert, als sie hören, dass immer mehr Jugendliche auf die Straße gehen und auf die drohende Klimakatastrophe aufmerksam machen. Interessiert verfolgen sie, was sich da in den Städten und in der Hauptstadt tut. Die neuesten Infos in ihrer WhatsApp-Gruppe werden rasend schnell weitergegeben. Alle wissen: Es geht um unsere Zukunft. Und die sieht ziemlich düster aus.

Und dann das: Enno ist in den Sommerferien zu Besuch bei seinem Vetter Jan in Bornfehn, einem Nachbardorf. Die beiden kennen sich, seit sie denken können. Jans Vater Hinnerk ist Kirchenältester in der reformierten Kirchengemeinde, seine Mutter Bente arbeitet als Erzieherin im kircheneigenen Kindergarten. Den Eltern gehört eine riesige Mastanlage für Hühner – 20.000 in einer gigantischen Halle! Alles ist rigoros abgesperrt, Eintritt strengstens verboten. Wegen der Keime, so die Begründung. Aber was verboten ist, reizt umso mehr. Nur einen Blick will Enno in das Innere des Stalles werfen, mehr nicht. Jan ziert sich, er weiß, dass sein Vater hier sehr strikt ist. Aber dann gibt er seinem Freund nach.

In einer warmen Sommernacht schleichen sich die beiden heimlich an eine Tür. Jan hat einen Schlüssel besorgt und hinein geht es. Was Enno sieht, erschüttert ihn. Dicht an dicht hocken die Tiere auf dem Boden. Freiraum für Bewegung gibt es nicht. Enno zählt 25 Hühner auf einen Quadratmeter. Trotz Lüftungsanlage ist es brütend warm, es stinkt erbärmlich, der Geruch reizt Ennos Nase und Lunge. Der Boden ist bedeckt von Exkrementen. Hier und da scheint auch ein totes Huhn zu liegen. Viele Hühner machen einen kranken Eindruck. Manche können kaum aufstehen, Hautentzündungen und -verletzungen sind offensichtlich. Enno hat genug gesehen. Er ekelt sich. Rasch schießt er mit seinem Smartphone Fotos und dreht ein kurzes Rundum-Video. Dann machen die beiden, dass sie wieder rauskommen.

Am nächsten Tag ist Enno per Bus auf dem Heimweg. Noch während der Fahrt stellt er die Fotos und das Video in seine WhatsApp-Gruppe ein. Die Kommentare sind eindeutig. Seine Freundinnen und Freunde sind entsetzt. Die Bilder der Tiere gehen ihnen an die Nieren. So schlimm hatten sie sich die Haltung von Masthühnern nicht vorgestellt. Ennos Erlebnis steht auch im Mittelpunkt, als sich die Gruppe trifft. Sie diskutieren wild durcheinander. Erst allmählich setzt sich Hannah mit einem Vorschlag durch: „Ich meine, wir müssen etwas tun. Wir können nicht einfach hinnehmen, dass Tiere unter so schrecklichen Bedingungen gehalten werden. Unsere Pastorin erzählt doch immer wieder, dass Tiere Mitgeschöpfe sind und wir als Christinnen und Christen auch für das Wohl der Tiere verantwortlich sind. Also ist unsere Kirche die richtige Adresse. Die müsste da einschreiten. Jans Vater ist ja schließlich im Kirchenrat der Gemeinde in Bornfehn.“ Lukas hat eine Idee: „Wir könnten erst mal mit unserem Jugendältesten Timo sprechen. Der weiß bestimmt, wie man am besten vorgeht.“

Gesagt, getan. Timo ist sofort elektrisiert. Endlich mal eine Aktion, die die Gemeinde und vor allem den Kirchenrat auf Trab bringt. Die Sache verspricht spannend zu werden, jedenfalls kommt mal ein bisschen Dampf in die Bude. Zur Sicherheit ruft Timo die Kirchenordnung auf seinem Tablet auf, scrollt den Text durch und wird schon in § 5 fündig: „Da steht es: Auftrag und Dienst: (2) Die Kirchengemeinden bezeugen die Herrschaft Jesu Christi in allen Lebensbereichen und erfüllen diese Aufgabe [...] im Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung [...].“ „Völlig klar“, wirft Leonie ein, „Bewahrung der Schöpfung: Das gilt doch auch für Tiere! Unsere Kirche ist also verpflichtet, sich darum zu kümmern.“ „Aber wie können wir vorgehen?“, fragt Tim. Schweigen. Die Freunde schauen sich etwas ratlos an. Nach einer Weile sagt Timo: „Also, ich meine, das Ding ist so wichtig und brisant, dass ihr euch gleich an die Kirchenpräsidentin wenden solltet. Die ist doch die Oberste und Präsidenten haben schließlich das Sagen. Schreibt ihr eine Mail, stellt ihr die Sache dar und bittet sie, zu diesem Skandal etwas zu unternehmen. Dazu darf unsere Kirche nicht schweigen. Die E-Mail-Adresse findet ihr im Internet.“ Das ist die Lösung! Die Clique macht sich an die Arbeit.

Anregung:

  • Wie könnte die Mail lauten? Verfasst einen Text an die Kirchenpräsidentin Rena Ratvoll.

 

M2

 

Ein kompletter Fehlschlag (M3)

Schon am nächsten Tag trudelt eine E-Mail im Postfach von Enno ein. Absender: Kirchenpräsidentin Rena Ratvoll.

„Liebe junge Mitglieder der Brücksteder Kirchengemeinde, lieber Enno,
es kommt nicht alle Tage vor, dass sich Jugendliche mit einer so schwierigen Angelegenheit an mich wenden und mich bitten, sozusagen „von oberster Stelle“ aus tätig zu werden. Die Schilderung der Zustände in dem Masttierstall ist auch für mich sehr eindrücklich und irritierend. Ich kann also Eure Entrüstung gut verstehen und teile Eure Meinung, dass unsere Kirche sich auch um die Tiere als unsere Mitgeschöpfe sorgen muss. Aber dafür hat unsere Kirche klare Zuständigkeiten und Verfahren, wie solche Probleme zu behandeln sind. Ich selbst bin zwar Kirchenpräsidentin, aber keine Bischöfin, die den Gemeinden vorschreiben könnte, was sie zu tun haben. Ich kann allenfalls beraten. Am besten wird sein, wenn Ihr Euch zusammen mit dem Jugendältesten mal genauer unsere Kirchenordnung anschaut. Dann wisst Ihr bestimmt, wie Ihr in diesem Fall vorgehen könnt.

Viel Erfolg!

Rena Ratvoll, Kirchenpräsidentin“

„Das war ja wohl ein kompletter Fehlschlag“, meint Enno, als sich die Gruppe wieder trifft. „Hat ja wohl keinen Sinn! Typische Strategie von Behörden, ein Problem runterzukochen und auf Eis zu legen.“ „Finde ich nicht“, widerspricht Julia. „Da haben wir wohl etwas zu schnell gehandelt und uns nicht richtig informiert. Der Vorschlag von Frau Ratvoll ist doch ganz in Ordnung.“ „Ich frage mal Timo, ob er uns dabei helfen kann, diesen Knoten Kirche zu entwirren“, schlägt Marie vor. Und in der Tat: Timo macht sich die Mühe, den Jugendlichen einige Informationen zur Kirche zusammenzustellen.

Anregungen:

  • Vergleicht die Strukturskizzen der Katholischen Kirche (M4) und der Evangelisch-reformierten Kirche (M5). Fasst Eure Erkenntnisse in Thesenform zusammen.
  • Lest das Infoblatt „Wer darf was in der reformierten Kirche?“ sorgfältig. Welche Folgerungen müssen die Jugendlichen nun für ihre Aktion ziehen? Wie können sie vorgehen?

 

M4

 

© Heinz-Hermann Nordholt

 

M5

 

© Heinz-Hermann Nordholt

 

Wer darf was in der Evangelisch-reformierten Kirche? (M6)

Im Oktober 2021 ist es genau 450 Jahre her, dass sich in Emden etwa 30 Vertreter von evangelisch-reformierten Gemeinden trafen. Es waren bedrängende Zeiten. Wir können uns heute kaum mehr vorstellen, dass zwischen katholisch regierten Ländern, den lutherisch geprägten Gegenden und den Staaten mit reformierten Gemeinden regelrecht Kriege ausgefochten wurden. Christinnen und Christen mit einer anderen Konfession als die des jeweiligen Landesherrn wurden unterdrückt und mussten das Land verlassen. Für uns heute ist Toleranz selbstverständlich. Damals gab es davon keine Spur.

Besonders schlimm war es in den Niederlanden. Die Niederlande wurden in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts von der spanischen Krone regiert, aber die freiheitsliebenden Niederländer rebellierten gegen diese Herrschaft. Es waren vor allem reformierte Christen, die sich gegen den katholischen König Philipp II. auflehnten. 1566 kam es zu einem so genannten „Bildersturm“: In den katholischen Kirchen wurden seit Jahrhunderten Bilder und Statuen von Heiligen, von Maria und Jesus, ja sogar von Gott selbst aufgestellt und verehrt. Die reformierten Christen lehnten das radikal ab, weil sie das Bilderverbot ernst nahmen: „Du sollst dir kein Gottesbild machen noch irgendein Abbild von etwas, was oben im Himmel, was unten auf der Erde oder was im Wasser unter der Erde ist.“ (Exodus 20,4f.) Hunderte von Kirchen wurden verwüstet.

Der spanische König reagierte unerbittlich. Er entsandte als Statthalter Fernando Álvarez de Toledo, Herzog von Alba, um die öffentliche Ordnung und die Vormachtstellung der katholischen Kirche wiederherzustellen. Die Verantwortlichen für den in seinen Augen frevelhaften Bildersturm sollten hart bestraft werden. Als treuer Diener des Königs machte sich Alba daran, seinen Auftrag auszuführen. Von 1567 bis 1573 errichtete Herzog Alba ein Schreckensregiment über die aufständische Bevölkerung. Er richtete einen „Rat der Unruhen“ ein. Dieses Sondergericht befand schätzungsweise 9000 Menschen der Ketzerei und des Hochverrats für schuldig.

Mehr als 1000 Menschen wurden verurteilt und hingerichtet. Albas Regiment setzte einen gewaltigen Flüchtlingsstrom von 60.000 Bewohnern der Niederlande in Gang. Vor allem reformierte Gemeinden waren unter den Flüchtlingen. Sie begaben sich in deutsche Länder oder nach England; manche blieben aber auch in den Niederlanden und lebten dort im Untergrund. In Emden, wo damals zahlreiche Flüchtlinge lebten,  wollten sich ihre Abgesandten über den zukünftigen Weg der Gemeinden verständigen.

Die Versammlung der Vertreter der Flüchtlings- und Untergrundgemeinden in Emden 1571 wird als „Emder Synode“ bezeichnet. „Synode“ ist ein griechisches Wort und bedeutet „Zusammenkunft“. Die Synode fasste grundlegende Beschlüsse, die für die Kirchenordnungen vieler evangelischer Kirchen bis heute wichtig sind. Es ging dabei vor allem um

  • die Unabhängigkeit der Kirche von staatlicher Herrschaft,
  • die Selbstständigkeit der einzelnen Gemeinden,
  • den Aufbau der gesamten Kirche von unten her (Gemeinden → regionale Synoden → Gesamtsynode),
  • einen großen Freiraum für unterschiedliche Bekenntnisse und kirchliche Praxis.
Der erste Artikel der Beschlüsse der Emder Synode lautet:
„1. Keine Gemeinde soll über andere Gemeinden, kein Pastor über andere Pastoren, kein Ältester über andere Älteste, kein Diakon über andere Diakone Vorrang haben oder Herrschaft beanspruchen. Sie sollen lieber dem geringsten Verdacht und jeder Gelegenheit dazu aus dem Weg gehen.“

Dieses Grundprinzip ist auch heute noch in der Evangelisch-reformierten Kirchenverfassung von 2017 gültig. Für das Zusammenleben der einzelnen reformierten Gemeinden bestimmt der § 4 Ordnung der Kirche unter anderem:

1. Keine Gemeinde darf über eine andere, kein Gemeindeglied über ein anderes Vorrang oder Herrschaft beanspruchen.
4. Die Gemeinden ordnen ihre Angelegenheiten selbstständig. Den Synoden wird vorgelegt, was in der Gemeinde nicht hat entschieden werden können.

Zuständig für die Leitung der Gemeinden ist ein gewählter „Kirchenrat“ oder ein „Presbyterium“ (= Rat der Kirchenältesten) (§ 10). Die regionalen Synoden und die Gesamtsynode tagen regelmäßig. Die Leitung hat ein gewählter Präses (= Vorsitzender). Zwischen den Tagungen werden die Synoden vertreten durch ein „Moderamen“, d.h. ein gewähltes Leitungsgremium.
Die regionalen Synoden haben laut § 56 unter anderem

10. Entschließungen an die Kirchengemeinden des Synodalverbandes, an die Gesamtsynode und an die Öffentlichkeit zu richten,
17. die an die Synode gerichteten Vorlagen und Anträge zu erledigen.

Die Gesamtsynode hat laut § 69 unter anderem

4. Entschließungen an die Kirchengemeinden und in gegebenen Fällen an die Öffentlichkeit zu richten,
14. über Anträge, die von Kirchenräten/Presbyterien, von Synoden und von deren Moderamen gestellt worden sind, zu entscheiden.

 

Auf ein Neues! (M7)

Die Clique lässt nicht locker. Sie sind sicher: Erst einmal ist der Kirchenrat dran. Wieder muss Timo herhalten. „Du weißt doch, wie der Kirchenrat arbeitet, Timo“, beginnt Enno das Gespräch. „Was meinst du? Sollen wir mal einfach bei der nächsten Sitzung reinschneien? Das wäre doch eine tolle Überraschung, oder?“ „Besser nicht“, meint Timo. „Das dürfte eher in die Hose gehen. Der Kirchenrat lässt sich nicht gern bedrängen. Er will lieber in Ruhe diskutieren und pro und contra abwägen, wenn es etwas zu entscheiden gibt.“

„Und wenn wir die ganze Sache dem Redakteur unseres Wochenblatts stecken? Dann muss der Kirchenrat doch reagieren. Sonst gibt es einen richtigen Skandal hier im Dorf“, wirft Paul ein. „Lasst die Finger davon“, warnt Timo, „das kann ich euch nur raten. Denn dann ist eure Entdeckung sofort ein politisches Problem. Da mischen dann die Parteien und der Bürgermeister mit. Und der Kirchenrat wird sich hüten, sich auch noch in diese Arena zu begeben.“ - „Aber wie können wir vorgehen?“

„Ich schlage vor, dass ihr einen richtigen Antrag an den Kirchenrat formuliert. Macht euch zunächst mal schlau. Stellt die Situation dar und belegt sie mit den Fotos. Und vergesst nicht, dass beim Kirchenrat ein Antrag vor allem dann zählt, wenn man auch die Bibel mit heranzieht und sich darauf beruft. Ihr wisst ja schon, dass in der Kirchenordnung etwas von Bewahrung der Schöpfung steht.“

Anregungen:

  • Macht euch zunächst schlau über die Situation in der Masttierhaltung und die Probleme, die damit zusammenhängen: Ihr könnt dazu die Seite der Albert-Schweitzer-Stiftung aufrufen. Albert Schweitzer (1875-1965) war ein deutscher Theologe, Arzt, Organist und Pazifist. Er gründete ein Krankenhaus in Lambarene in Gabun, das er bis zu seinem Tod leitete. 1953 erhielt er den Friedensnobelpreis. Seine grundlegende Forderung war die „Ehrfurcht vor dem Leben“ in jeder Form. Sie spiegelte seine Einsicht: „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“ Daher gilt Schweitzer auch als einer der Begründer einer Tierethik.
  • Auch die Seite des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft bietet wichtige Informationen.
  • Wenn ihr etwas über die Bewahrung der Schöpfung erfahren wollt, findet ihr auf der Online-Seite des evangelischen Magazins Chrismon weitere Informationen.
  • Schreibt einen Antrag an den Kirchenrat.

 

...die Schöpfung bewahren! (M8) (Differenzierung)

Die Schöpfungserzählungen in der Bibel sprechen an zwei Stellen vom Auftrag, den die Menschen von Gott bekommen – in Gen 1,28 und in Gen 2,15.

Gott schafft ein kunstvolles „Lebenshaus“. Er stattet die Erde so mit Lebenskraft aus, dass sie Pflanzen und Bäume hervorbringen kann. Und er bevölkert dieses „Lebenshaus“ mit allerlei Lebewesen: Fischen, Vögeln, Landtieren und Menschen. Die Menschen werden wie die Landtiere am gleichen sechsten Tag geschaffen. Sie teilen mit diesen den Lebensraum. Ihnen gibt der Schöpfergott eine besondere Aufgabe: Als Abbild des Schöpfergottes (Gen 1,26) soll der Mensch das Leben des „Lebenshauses“ schützen, ordnen und verteidigen: „Und Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und werdet zahlreich und füllt die Erde aus und setzt euren Fuß auf sie, und herrscht über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über alles Getier, das auf der Erde kriecht.“ (Gen 1,28)

Alle Menschen gemeinsam (nicht ein einzelner!) sind seine königlichen Vertreter, die er mit der Fürsorge für die Welt beauftragt hat. Sie sollen als seine Abbilder sein Lebenshaus so in Ordnung halten, dass dieses seine Funktion erfüllen kann. Dazu sollen die Menschen „den Fuß auf die Erde setzen“ (nicht: „sich untertan machen“ oder „sich unterwerfen“!). Es ist ähnlich, wenn wir im Deutschen sagen „über jemand seine Hand halten, auf jemand seine Hand legen“. Auch dies muss nicht negativ sein, sondern kann durchaus die besondere Obhut meinen, mit der wir jemanden begleiten und schützen. Das hier für „Herrschen“ gebrauchte Wort bezeichnet eigentlich das Umherziehen des Hirten mit seiner Herde. Der Hirte führt seine Herde auf gute Weide, er schützt die Tiere gegen alle Gefahren, verteidigt sie vor Raubtieren und schützt die schwachen Tiere seiner Herde gegen die starken und sorgt dafür, dass auch sie genügend Wasser und Nahrung finden.

Ein solcher Hirte war seit alters ein Bild gerade für die Amtsführung eines guten und gerechten Königs, der sich ganz für sein Volk einsetzt, vor allem die Rechte der Schwachen schützt und so ein glückliches Leben für alle garantiert. Für die Menschen bedeutet das: Sie sollen die Erde als das ihnen übergebene Königsland „betreten“ und darin als gute Könige „auftreten“. Der sogenannte „Herrschaftsauftrag“ ist also eigentlich ein „Hüteauftrag“. Es ist keine Erlaubnis zur Zerstörung des Lebenszusammenhangs, sondern im Gegenteil: Gen 1,28 ist der Auftrag an den Menschen, dafür Sorge zu tragen, dass die Erde Lebensraum für alle Lebewesen bleiben soll.

Dass die Fürsorge für die Erde als Lebensraum gemeint ist, zeigt der zweite Auftrag in Gen 2,15: „Und der HERR, Gott, nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, damit er ihn bebaute und bewahrte.“ Das heißt heute: alles zu tun, damit dieser Lebensraum lebenswert bleibt. Auch die Kinder, Enkel und Urenkel sollen auf dieser Erde noch gut leben können. Der bekannte Philosoph Hans Jonas hat diese Aufgabe so ausgedrückt: „Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung nicht zerstörerisch sind für die künftige Möglichkeit des Lebens. Gefährde nicht die Bedingungen für den Fortbestand der Menschheit auf Erden.“ Und das ist eben eine wichtige Aufgabe für die Christinnen und Christen in den Kirchen.

(Zitate und Zusammenstellung aus Erich Zenger, Theologische Grundlagen: Gottes Schöpfung – Lebenshaus für alle. Die Botschaft der biblischen Schöpfungstheologie)

 

Jetzt wird es ernst (M9) (Differenzierung)

Timo berichtet: „Der Kirchenrat hat sich in der letzten Sitzung mit eurem Antrag beschäftigt. Die Stimmung war gemischt. Ich habe den Antrag natürlich kräftig unterstützt, aber einige aus dem Kirchenrat hatten doch Bedenken, hier etwas zu unternehmen. Sie fürchten, dass es bei unseren Landwirten eine riesige Aufregung geben wird. Schließlich hat der Kirchenrat beschlossen, euch zu der ganzen Sache persönlich einzuladen und eure Argumente zu prüfen. Jetzt wird es wirklich ernst. Kneifen könnt ihr nicht. Aber keine Angst: Keiner wird euch den Kopf abreißen. Ihr müsst euch nur gut vorbereiten. Im Kirchenrat sitzen keine dummen Leute. Und die werden sich auch informieren, bevor sie euch in den Schwitzkasten nehmen.“

Anregungen:

  • Führt eine Anhörung beim „Kirchenrat“ durch, indem ihr die Gruppe aufteilt und jede Gruppe eine Rolle übernimmt.
  • Dafür bereiten sich die Gruppe der Jugendlichen ebenso vor wie die Kirchenratsmitglieder.
  • Beide Gruppen sitzen im Kreis, aber so, dass sie sich face-to-face anschauen können.
  • Der Vorsitzende des Kirchenrates Wolf Wachsam übernimmt die Leitung der Anhörung.

 

Der Kirchenrat tagt (M10)

Der Antrag der Jugendlichen wird im Kirchenrat beraten. Das Problem ist kompliziert. Komplizierter jedenfalls, als die Jugendlichen es sich gedacht haben. Der Kirchenrat muss klären,

  • ob das beschriebene Problem in den Aufgabenbereich der Kirche fällt,
  • ob der Antrag gut begründet ist oder ob er wichtige Fragen und Gesichtspunkte ausblendet,
  • welche Auswirkungen der Antrag für die Gemeinde haben kann (Wird die Schuld an der Situation einer Gruppe in die Schuhe geschoben? Ist möglicherweise der Zusammenhalt der Gemeinde gefährdet? Kann es zu schlimmem Streit kommen?),
  • ob er sich in die Belange eines anderen Kirchenrates einmischen darf,
  • ob das Problem über die Grenzen einer Kirchengemeinde hinausreicht und der Synode vorgelegt werden soll.

Führt dazu ein Rollenspiel durch. Geleitet wird das Spiel durch den Vorsitzenden des Kirchenrates Wolf Wachsam.

Folgende Rollenkarten sind vorgegeben:

Wolf Wachsam (Vorsitzender)

Der Vorsitzende, Alter Mitte 50, gehört zu den alteingesessenen Bürgern des Dorfes. Er hat zwei ältere Kinder und schon zwei Enkel, um die er sich gern kümmert. Als Vorsitzender hat er vor allem für den geordneten Ablauf der Diskussion zu sorgen. Er legt fest, in welcher Reihenfolge einzelne Fragen besprochen werden sollen und die beteiligten Personen sprechen dürfen. Er leitet auch das Gespräch. So sehr er die Erregung der Jugendlichen verstehen kann, liegt ihm doch besonders am Herzen, dass die Gemeindearbeit nicht durch Streitigkeiten gefährdet wird. Er muss ja mit allen gut auskommen. Daher sucht er nach Möglichkeiten, miteinander ins Gespräch zu kommen und Probleme gemeinsam zu lösen. Er möchte gern, dass alle Teilnehmer zu einem Konsens kommen, wie es weitergehen soll. Am Ende schlägt er vor, mit dem Problem die Synode zu befassen, da es um eine gemeindeübergreifende Frage geht.

Femke Freundlich (Stellvertretende Vorsitzende)

Die stellvertretende Vorsitzende ist Anfang 50, seit vielen Jahren ehrenamtlich in der Gemeinde engagiert. Sie leitet einen Frauenkreis und ist darüber hinaus auch im Landfrauenverein aktiv. Ihr Mann hat auf dem Hof, auf dem sie geboren wurde, eingeheiratet. Beide sind mit den Herausforderungen, vor denen die heutige Landwirtschaft steht, vertraut. Sie kennt die Jugendlichen, auch ihre Eltern, und möchte, dass sie ihr Anliegen vortragen können, auch wenn sie weiß, dass das Thema „Tierhaltung“ vielschichtiger ist und differenzierter betrachtet werden muss. Ihr ist das Engagement der Jugendlichen wichtig, das ja vielleicht dazu führen kann, dass in der Gemeinde oder im Synodalverband zu einem Vortragsabend oder zu einem Tag der offenen Tür auf einem Hof eingeladen wird. Ihr ist klar, dass es keine einfachen Lösungen gibt.

Björn Bedächtig

Das langjährige Mitglied des Kirchenrates (65) hat schon einige Erfahrungen in seinem Leben mit Problemen gemacht, die sich sehr schnell emotional aufluden, die aber auch bald wieder in der Versenkung verschwanden. Deshalb gehört es zu seinem Lebensprinzip, in solchen Fällen erst einmal Ruhe zu bewahren, keine Entscheidung übers Knie zu brechen, lieber noch einmal die Sache zu vertagen, um Zeit zu gewinnen, neue Informationen zu sammeln und über alles noch einmal neu und ungestört nachzudenken. Ihm ist deshalb auch klar, dass Jugendliche natürlich immer „alles, und zwar sofort“ wollen; dagegen möchte er seine Lebenserfahrung setzen und diese auch so ins Spiel bringen, dass Jugendliche dies als vernünftig anerkennen können. Da ist er auch ein bisschen Pädagoge.

Gesine Geduldig

Gesine Geduldig ist im mittleren Alter und noch nicht so lange im Kirchenrat. Oft macht sie die Erfahrung, dass sie bei anstehenden Problemen noch nicht ganz „den Durchblick“ hat. Dann schweigt sie lieber oder bittet um weitere Informationen. Sie ist Mutter zweier halbwüchsiger Kinder – und „Mütterlichkeit“ ist durchaus eine ihrer Eigenschaften: Sie hat großes Verständnis für das Agieren der Kinder, möchte sie nicht vor den Kopf stoßen, möchte ihnen sagen, wie toll sie das findet, dass die Jugendlichen so engagiert sind (hat man von Erwachsenen nicht schon häufiger gehört, dass die „heutigen Jugendlichen“ nur an ihren eigenen Spaß denken und nicht bereit sind, irgendwo Verantwortung zu übernehmen, nur Vorteile genießen wollen, aber kneifen, wenn’s anstrengend wird?). Andererseits weiß sie aus der Erziehung ihrer Kinder, dass man diese – natürlich mit viel Geduld und Verständnis, aber doch auch entschieden – auf einen „vernünftigen“ Weg führen muss.

Sophia Sachlich

Wie der Name sagt, ist Frau Sachlich, Mitte 40, bestrebt, jeden emotionalen Unterton aus der Debatte herauszunehmen. Für sie geht es erst einmal um Fakten und Argumente. Nur so, meint sie, kann man Probleme auch sachgemäß in den Griff bekommen. Deshalb kann sie mit der großen Erregung der Jugendlichen nicht allzu viel anfangen. Natürlich müssen Tiere ordentlich gehalten werden, aber dafür gibt es schließlich Gesetze, die das regeln. Und überhaupt: Der Alltag ist nun mal kein Ponyhof. Man kann nicht alle Übel aus der Welt schaffen, sondern muss versuchen, sie so klein wie möglich zu halten. Überhaupt ist sie dafür, dass alles seine Ordnung hat. Daher achtet sie auch in der Kirche immer genau darauf, dass die vorgesehenen Gremien beachtet und die Verfahren eingehalten werden. Schließlich haben die Gremien in der Kirche jeweils eine wichtige Bedeutung: Viele Köche verderben eben nicht den Brei, sondern damit es in der Kirche sachlich zugeht, müssen möglichst viele Menschen gehört werden.

Timo Trotz, berufener Jugendältester

Schon einige Zeit arbeitet Timo (25) im Kirchenrat mit, vor allem natürlich, wenn es um Belange von Kindern und Jugendlichen geht. Vieles hat er da schon in seiner Kirchengemeinde organisiert, manches auch auf neue Wege gebracht. So ganz aus seiner „wilden Zeit“ ist er noch nicht raus – im Gegenteil: Manchmal macht er seinem Namen Ehre und provoziert die anderen Mitglieder des Kirchenrates mit Widerspruch und Hartnäckigkeit. In der praktischen Arbeit hat er gelernt, in welchen Strukturen die Arbeit einer Kirchengemeinde verläuft. Da gibt es Kirchenordnungen, verschiedene Ämter für unterschiedliche Funktionen, er weiß aber auch, wie die einzelnen Mitglieder des Kirchenrats „ticken“, was sie gut finden, was eher weniger, wo Sensibilitäten liegen. Insgesamt hat er seine Rolle gefunden: Die Anliegen und Anfragen von Kindern und Jugendlichen aufzunehmen, und diese einem zuweilen etwas skeptischen Kirchenrat zu vermitteln. Auch in dem konkreten Fall möchte er sich ganz konsequent auf die Seite der Jugendlichen stellen; denn das Anliegen brennt ihm selbst auf den Nägeln.

Fenny Fröhlich, Pastorin

Die Pastorin ist seit rund 10 Jahren in der Gemeinde. Sie ist 45 Jahre alt, nicht verheiratet und hat keine Kinder. Das Pfarrhaus liegt direkt neben der Kirche. Sie ist allen zugewandt, freundlich und aufmerksam, gleichzeitig offen für neue Aufgaben und Herausforderungen in der Gemeinde. Die älteren Gemeindeglieder schätzen sie, weil sie sie zu den runden Geburtstagen besucht, aber auch regelmäßig im Krankenhaus ihre Besuche macht. Der Konfirmandenunterricht und die Jugendarbeit liegen ihr sehr am Herzen. In manchen Ideen und Vorschlägen der Jugendlichen erkennt sie sich wieder, weil sie sich ihre Fröhlichkeit und Aufgeschlossenheit bewahrt hat. Sie möchte die Jugendlichen unterstützen, weil sie deren Anliegen versteht. Gleichzeitig ist ihr aber auch bewusst, dass sie die Pastorin der ganzen Gemeinde ist und im Vorsitzenden des Kirchenrates eine große Unterstützung in ihrer Gemeindearbeit hat.

Arno Ackermann (berufener Ältester, Landwirt)

Arno Ackermann ist Landwirt in fünfter Generation. Ob sein Ältester mal den Hof übernehmen wird, ist noch nicht sicher. Nichts ist mehr so wie früher - alle Welt hackt ständig auf den Bauern herum. Das merken natürlich auch die jungen Leute und überlegen sich, ob sie unter diesen Bedingungen wirklich die sechste Generation sein wollen. Die Bauern sollen die Schuld an der gesamten Umweltzerstörung tragen: zu viel Düngemittel, zu viel Gülle, zu viele Tiere auf zu wenig Fläche. Arno Ackermann ist ein nachdenklicher Mensch. Er weiß, dass auch bei den Bauern nicht alles Gold ist, was glänzt. Aber er weiß auch: Wenn die Leute unbedingt billiges Fleisch essen wollen, geht es nicht anders als mit Massentierhaltung. Nein, die Bauern machen nicht alles richtig. Aber wenn der Verbraucher nicht umdenkt und bereit ist, mehr für gutes Fleisch zu zahlen, werden sich die Produktionsbedingungen nicht ändern. Und eines weiß er genau: Seine Hühner haben Platz genug. Das lässt er sich nicht nachsagen.

Als Gast ohne Stimmrecht: Präses der Synode: Frieso Friedlich

Frieso Friedlich hat ein schwieriges Amt. Er ist Präses der Synode des Synodalverbands. Und in der Synode sitzen sie alle: die Bauern und die Umweltschützer und die Gleichgültigen. Wie soll man da zu einer gemeinsamen Erklärung kommen? Frieso Friedlich hat sich auf die Ochsentour gemacht: persönliche Gespräche mit allen Seiten, Ausloten von Kompromisslinien. Dann Arbeitsgruppensitzungen und öffentliche Veranstaltungen. Immer wieder die Bauern und ihre Kritiker zusammenführen. Darauf achten, dass es nicht zu persönlichen Verunglimpfungen kommt, wenn die Wogen mal hoch gehen. Frieso Friedlich meint, nur so gibt es Fortschritte in den schwierigen Fragen der Tierhaltung und des Umgangs mit natürlichen Ressourcen. Er versucht, mit allen im Gespräch zu bleiben. Das ist nicht einfach, und das gefällt auch nicht jedem. Manche sagen, er ist ein Weichei und hat keine klare eigene Position. Das nimmt er in Kauf, solange der Dialog offen bleibt und der Gesprächsfaden nicht abreißt. Dazu ist die Kirche da, meint er.

 

Ein heißes Eisen (M11)

Der Antrag der Jugendlichen hat die Diskussion im Kirchenrat hochkochen lassen. Alle haben gemerkt: Das ist ein heißes Eisen, das nicht nur unsere Gemeinde angeht, sondern auch die regionale Synode, vielleicht sogar die Gesamtsynode der Evangelisch-reformierten Kirche. Der Vorsitzende, der zugleich auch Mitglied in der Synode ist, wird beauftragt, eine Eingabe für die Synode vorzubereiten. Wolf Wachsam macht sich an die Arbeit. Seine Eingabe lautet:

An das Moderamen der Synode des Evangelisch-reformierten Synodalverbands

Liebe Schwestern und Brüder,

der Kirchenrat der Kirchengemeinde Brückstede hat mich beauftragt, der Synode ein Problem vorzulegen, das nach unserer Ansicht nicht nur unsere Gemeinde, sondern mehrere Gemeinden in unserem Synodalverband angeht. Jugendliche aus unserer Gemeinde haben uns darauf aufmerksam gemacht, dass es in der Gemeinde Bornfehn einen Hof mit Masthühnerhaltung gibt, in dem 20.000 Hühner zwar gemäß den gesetzlichen Bestimmungen, aber doch unter Bedingungen gehalten werden, die zu schweren Beeinträchtigungen und Schäden der Tiere führen.

Der Hof gehört dem Vorsitzenden des Kirchenrates der Gemeinde, unserem Bruder Hinnerk Achtsam. Die Jugendlichen haben den Antrag gestellt, der Kirchenrat unserer Gemeinde möge in dieser Sache tätig werden, das Problem der Tierhaltung grundsätzlich erörtern und den Kirchenrat der Nachbargemeinde auffordern, seinerseits für Abhilfe zu sorgen. Sie berufen sich für ihren Antrag auf die Kirchenordnung, die als Auftrag und Dienst der Kirchengemeinden auch den „Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ benennt. Ihre biblisch und theologisch wohlbegründete Überzeugung ist, dass auch Tiere als Mitgeschöpfe zu behandeln sind und wir Menschen daher mit ihnen im Sinne des „Bebauen und Bewahrens“ (Gen 2,15) verantwortlich umgehen müssen. Das gelte auch und gerade in der modernen Gesellschaft. Hier müsse die Kirche eine Vorreiterrolle einnehmen.

Ich stelle daher den Antrag, dass sich die Synode mit dem Problem der Massentierhaltung in unseren landwirtschaftlich geprägten Gemeinden befassen und darüber beraten möge, wie die Situation der Tiere auf unseren Höfen verbessert werden kann. Zu Ihrer Kenntnis füge ich den Antrag der Jugendlichen bei.

Wolf Wachsam
Vorsitzender des Kirchenrates der Evangelisch-reformierten Gemeinde Brückstede

Anregung:

  • Die Lerngruppe lädt den Präses und Mitglieder der Synode ein und befragt sie, wie sie mit einem solchen Antrag umgehen würden.

 

Die Synode antwortet (M12) (Differenzierung)

Die Synode des Synodalverbands hat den Antrag der Jugendlichen zum Anlass genommen, sich mit den Produktionsprozessen der bäuerlichen Betriebe zu beschäftigen. Dabei hat sich gezeigt, dass der Gesichtspunkt des Tierwohls, den die Gruppe ins Spiel gebracht hat, nur einer unter mehreren ist. Vor allem hat sie die Frage gestellt, wie das Verhalten der Verbraucher und die wirtschaftliche Macht der Supermärkte mit der Tierhaltung in Großbetrieben zusammenhängen. Natürlich wurden auch Experten zum Thema angehört. Mehrere Synodale haben Betriebe besucht, in denen Legehennen und Masthühner gehalten werden, und sich so einen eigenen Eindruck verschafft. Schließlich hat man auch die Tierhaltung in einem Biobetrieb in Augenschein genommen.

Am Ende der Beratungen verabschiedete die Synode eine Erklärung, die der Präses der Synode dem Vorsitzenden des Kirchenrates Wolf Wachsam zugeschickt hat. Darin heißt es:

Im Mittelpunkt steht in dieser Erklärung unser Umgang mit Lebensmitteln. Darunter verstehen wir, die in der gemeinsamen Synode versammelten altreformierten und reformierten Kirchengemeinden alle Vorgänge, durch welche die Produktion, der Handel und der alltägliche Gebrauch der Lebensmittel im Blick sind. Wir erkennen, dass hier die Produzenten, die Verantwortlichen des Handels und die Verbraucher je auf ihre Weise beteiligt sind und sich darin gegenseitig beeinflussen.

  • Als Kirche sehen wir, wie durch unseren Umgang mit Lebensmitteln die Schöpfung in zunehmendem Maß belastet wird. Dadurch kommt es zu langfristigen Schädigungen, welche die Zukunft der Erde als bewohnbaren Planeten für alle Menschen ernsthaft gefährden.
  • Wir nehmen die oft fehlende Wertschätzung von Lebensmitteln wahr, die nicht selten zu Vergeudung und Vernichtung führt.
  • Die Landwirte in unseren Gemeinden stehen häufig unter großem Druck. Sie sehen sich immer wieder gezwungen, die vorhandenen Flächen intensiver zu bearbeiten und ihre Betriebe zu erweitern, um zukunftsfähig zu sein. Wer nicht mithalten kann oder mithalten will, muss aufgeben („Wachsen oder Weichen“).
  • Wir erkennen, wie leicht auf schwierige Problemlagen mit falschen, einseitigen Schuldzuweisungen reagiert wird, die bestimmte Marktteilnehmer zu vorrangigen oder alleinigen Verursachern erklären.

Unser Wirtschaften läuft auch im Bereich des Umgangs mit Lebensmitteln (Produktion, Handel und Konsum) in zunehmendem Maß dem Streben nach Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung entgegen. Als Kirche haben wir nicht die Universallösung für alle Probleme. Aber wir wollen weitere Schritte gehen, von denen wir erwarten, dass sie dem Streben nach Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung dienen.

Wir verzichten auf einseitige Schuldzuweisungen, nach denen nur der Handel oder nur die Landwirte oder nur die Konsumenten Auslöser der Fehlentwicklungen sein sollen. Wir erkennen, dass wir hier in unserer Region alle Teil des Systems sind, das zu problematischen Ergebnissen führt, aber zugleich auch alle Teil einer besseren Entwicklung sein können.

Wir halten Ausschau nach Wegen, gemeinsam mit Landwirten, Verarbeitern, Handel und kirchlichen Verbrauchern unserer Region die Landwirtschaft in die Lage zu versetzen, gemeinsam mit uns dem Ziel der Nachhaltigkeit näher zu kommen. Wir suchen das dauerhafte Gespräch mit Landwirten und Brot für die Welt, um der Perspektive der Einen Welt als Lebensraum für alle gerecht zu werden.

 

Anregungen:

  • Warum hat die Synode dem Antrag der Jugendlichen nicht einfach zugestimmt?
  • An welchen Stellen hat die Synode die Überlegungen der Jugendlichen aufgenommen?
  • Die Synode hat die Lebensmittel, nicht das Tierwohl in den Mittelpunkt gestellt. Fertigt eine Skizze an, die den Zusammenhang aller an der Herstellung von Lebensmitteln Beteiligten darstellt.
  • Überlegt, welche konkreten Schritte wir als Verbraucher und die Kirchengemeinden unternehmen könnten, um dem Ziel der „Einen Welt als Lebensraum für alle“ gerecht zu werden.
  • Führt ein Rundgespräch über die Frage, welche Vorteile die Kirchenordnung der Evangelisch-reformierten Kirche bei der Lösung dieses Problems hat.

 

Jetzt seid ihr dran: Wie war’s? (M13)


Hartmut Lenhard, Gerhard Naber, Brigitte Schroven

Der gesamte Unterrichtsentwurf zum Download (PDF)